Der Orientalismus war eine Modeerscheinung in der Malerei des 19. Jahrhunderts, dem namhafte Künstler wie Eugen Bracht, Jean-Léon Gérôme, Frederick Arthur Bridgman oder Jean Auguste Dominique Ingres zumindest zeitweise verfielen. Ein heuer weniger bekannter, doch sehr fähiger Maler, welcher sich mit orientalischen Themen befaßte, war Adolf Seel. Vor allem seine Intérieurs und Architekturdarstellungen sind von großem Reiz.
Seel wurde 1829 in Wiesbaden geboren, studierte (über den Zeitraum gibt es divergierende Angaben) an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Rudolf Wiegmann und Karl Ferdinand Sohn. Dessen Neffe Wilhelm Sohn war sein Kommilitone, befreundet war er mit Ludwig Knaus, Wilhelm Busch und Anselm Feuerbach. Von letzterem gibt es ein Porträt des Studenten Seel, dieses befindet sich im Depot der Staatsgalerie Stuttgart. Nach dem Abschluß in Düsseldorf folgte ein Studienjahr in Paris.
Düsseldorf blieb jedoch der Hauptwirkensort Seels; er war dort u. a. 1848 eines der Gründungsmitglieder des bis heute bestehenden Künstlervereins „Malkasten“. Er entwickelte eine umfassende Reisetätigkeit, ging 1864/65 nach Italien, 1870/71 bereiste er die iberische Halbinsel und die afrikanische Mittelmeerküste, 1873/74 Palästina und Ägypten.
Hatte er zunächst vor allem Intérieurs von Kirchen und Klöstern gemalt, sollte ihn die Reise in den Orient in seiner Motivwahl besonders prägen; er entwickelte eine ausgesprochene Leidenschaft für die arabische und maurische Architektur, welche er in außerordentlich gekonnter Behandlung der Perspektive, der Farbe und des Lichts, bisweilen Erinnerungen an holländische Meister wie Jan Vermeer oder Pieter de Hooch weckend, auf die Leinwand brachte.
Figuren treten vor allem als Staffage auf, obgleich einige Bilder wie das nahezu fotorealistische, unverhohlen erotisch gefärbte „Sklavenmarkt in Kairo“ (1895) in den Bereich der Genremalerei gehören. Doch auch bei diesem ließe sich behaupten, daß der bessere Anteil des Werkes nicht die Figurengruppe ist.
Dieses Bild hatte übrigens 1896 Hugo von Tschudi, Direktor der Nationalgalerie in Berlin, auf einem gemeinsamen Besuch der Berliner Internationalen Kunstausstellung mit Kaiser Wilhelm II. für die Nationalgalerie erworben. Er kam damit dem Geschmack des Kaisers entgegen, der Tschudi immerhin jüngst zugestanden hatte, auch zeitgenössische ausländische Künstler für die Nationalgalerie erwerben zu dürfen, selbst jedoch eine klare akademische Malweise bevorzugte und persönliche Erinnerungen mit dem Orient verband.
1876 war Seel Mitorganisator einer „historischen Ausstellung des islamitischen Orients“ im Österreichischen Museum in Wien, 1878 war er an „Aegypten in Bild und Wort“, einem zweibändigen populärwissenschaftlichen Werk des Ägyptologen Georg Ebers, mit mehreren Holzstichen beteiligt. Allgemein haben seine idealisierten Darstellungen die Orientrezeption in Deutschland beeinflußt.
Als Seel 1907 in Dillenburg starb, hatte er eine erfolgreiche Karriere hinter sich, nicht nur als Kunstprofessor und Maler repräsentativer Ölgemälde, sondern auch als Aquarellist, so war er u.a. Ehrenmitglied der „Société royale belge des aquarellistes“. Heutzutage würden manche seiner Orientbilder möglicherweise als romantisierender Kitsch empfunden, doch in seinen Darstellungen der Bauwerke zeigt sich eine zeitlose Meisterschaft.
Verweise:
http://www.artnet.de/künstler/adolf-seel/
https://nat.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=420071
https://nat.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=419995
http://www.arcadja.com/auctions/de/seel_adolf/kunstler/33526/