Potsdam – Den Namen Vincent van Gogh hat jeder schon einmal gehört, doch, anders als ihr französisches Gegenstück, ist die holländische Freilichtmalerei als Bewegung insgesamt wenig bekannt. „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ heißt die neue Sonderausstellung im Museum Barberini, welche ein wenig dazu beitragen könnte, dies zu ändern. Sie wird bis zum 22. Oktober 2023 zu sehen sein.
Die Landschaftsmalerei als eigene Disziplin hatte in Holland während des Goldenen Zeitalters, im Barock, mit Meistern wie Jacob van Ruisdael, Jan van Goyen oder Meindert Hobbema ihre erste große Blüte erlebt. In der Romantik war wohl Deutschland im Metier führend, während die Revolution der Freilichtmalerei mit den realistischen Kleinlandschaften („paysages intimes“) der Schule von Barbizon in Frankreich begann.
Die Ausstellung in Potsdam folgt im Wesentlichen der historischen Entwicklung der holländischen Freilichtmalerei, von den frühen Realisten über Haager Schule und Amsterdamer Impressionisten bis hin zu den holländischen Pointillisten und den noch impressionistisch geprägten Frühwerken der modernen Avantgarde des Landes.
Die Freilichtmalerkolonie im Wald von Oosterbeek bei Arnhem, welche einem realistischen bis naturalistischen Ansatz folgte, kann als Parallelentwicklung zur Schule von Barbizon verstanden werden, welche einen direkten Einfluß darstellte. Thematisch, wenig verwunderlich, steht der Wald im Fokus der Aufmerksamkeit.
Als Vater der Kolonie gilt Johann Warnardus Bilders, doch auch seine zweite Frau Maria Philippina Bilders-van Bosse und sein Sohn Gerard Bilders waren dort tätig und sind im Barberini vertreten. Von Oosterbeek führt ein direkter Weg zur Haager Schule, denn so mancher dieser Maler hat sich anfänglich oder zwischenzeitlich in Oosterbeek versucht, darunter Matthijs Maris oder Anton Mauve.
Mauve, der mit mehreren Bildern vertreten ist, war sicher einer der herausragendsten Köpfe der Haager Schule, ein Meister fein abgestimmter Farbtöne, wobei festzustellen ist, daß diese Farbtöne sich an den Farben holländischer Polderlandschaften orientierten; typisch waren viel Grün und Braun und ein eher grauer als blauer Himmel, der oft den Großteil des Bildes einnimmt.
Mauve ist auch als Ehemann einer Cousine, früher Lehrer und Einfluß Vincent van Goghs zu erwähnen, wie überhaupt auch van Gogh hier eine Rolle spielt, denn dieser malte selbst in Oosterbeek und ist mit einigen erdigen Frühwerken im Stile der Haager Schule vertreten.
Ausgesprochen kurios sein „Blumenbeete in Holland“ von 1883, eine Leihgabe der Natiuonal Gallery in Washington: Der Hintergrund ist in den trüben Tönen der Haager Schule gehalten, während die Blumenfelder im Vordergrund diesen in leuchtenden Farben gegenüberstehen. Ein noch sehr unreifes, aber gerade deshalb faszinierendes Bild.
Weitere mit der Haager Schule verbundene Künstler im Programm sind u.a. Théophile de Bock, Jan Hendrik Weissenbruch, Willem Roelofs, Jacob und Willem Maris, Paul Gabriël und Jozef Israëls. Zu erwähnen ist auch Johan Barthold Jongkind, der sich zwar nicht im Umfeld der Haager Schule bewegte, jedoch früh einen vergleichbaren Stil pflegte. Er lebte in Frankreich und hatte einen direkten Einfluß auf die französischen Impressionisten um Claude Monet.
Später verlagerte der Schwerpunkt sich nach Amsterdam. Die Gruppe von Künstlern, welche als „Amsterdamer Impressionisten“ bezeichnet werden, hatten zum Teil auch Verbindungen zu den Haagern. Wie diese und anders als die französischen Impressionisten blieben sie bei dunklen und erdigen Farben. Allerdings wurde der Pinselstrich lockerer, und thematisch wurde die Stadt zum Zentrum des Schaffens. Zu erwähnen sind dabei etwa George Hendrik Breitner, der auch mit Max Liebermann befreundete Isaac Israëls, Willem de Zwart, Willem Bastiaan Tholen oder Willem Witsen.
Halten wir an dieser Stelle fest: Einen Impressionismus im französischen Sinne gab es in Holland nicht oder nur sehr bedingt. Es wurde im Freien gemalt, doch bis hin zur Amsterdamer Gruppe wurde auf leuchtende Farben verzichtet, was allerdings auch in den spezifischen Lichtverhältnissen des Landes begründet war.
Die Revolution der leuchtenden Farben kam erst mit dem äußerst vielseitigen, heute vor allem als Symbolist bekannten Ausnahmetalent Jan Toorop, welcher ursprünglich sowohl im Umfeld der Haager Schule als auch bei den Amsterdamer Impressionisten unterwegs war, doch in Frankreich den Pointillismus von Georges Seurat und Paul Signac entdeckte und nach Holland importierte.
Im Gefolge Toorops wiederum begannen eine ganze Reihe holländischer Künstler mit ähnlichen Versuchen, darunter Frits Maris, Co Breman, Hendricus Petrus Bremmer oder Johan Thorn Prikker. Eine spezifisch holländische Fortentwicklung war der Luminismus, der, ähnlich dem frühen Fauvismus, gröbere Pinselstriche und weit kräftigere, expressive Farben nutzte; das Frühwerk von Leo Gestel, Jan Slujters, Jacoba von Heemskerck oder Piet Mondrian ist dabei zu erwähnen und auch jedenfalls mit einem oder mehreren Bildern im Programm.
Die vier zuletzt genannten waren dann auch unter den wichtigsten Protagonisten der angehenden „klassischen Moderne“, und exemplarisch werden zum Ende der Ausstellung Einblicke in deren Beitrag zu Expressionismus, Kubismus und Abstraktion gegeben. Zusammengefaßt: Eine erstklassige Einführung in die holländische Freilichtmalerei, wobei auch Hängung, Beleuchtung und sogar die Begleittexte stimmig sind. Sehr zu empfehlen.
Das Museum Barberini befindet sich am Alten Markt, Humboldtstr. 5-6, in 14467 Potsdam und hat jeden Tag außer am Dienstag von 10-19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet regulär in der Woche 16,- und am Wochenende und Feiertagen 18,-, ermäßigt 10,- Euro; für den Besuch wird (außer für Inhaber einer Jahreskarte) der Erwerb eines vorab zu buchenden Zeitfenstertickets empfohlen.
Verweise:
https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/9498/wolken-und-licht-impressionismus-in-holland