Berlin – Das Jüdische Museum Berlin ist zwar nicht vorrangig ein Kunstmuseum, allerdings gibt es dort auch Kunst, und bisweilen gibt es gar Sonderausstellungen, die sich mit Kunst-Dingen befassen. „Paris Magnétique. 1905–1940“ wird noch bis zum 1. Mai 2023 zu sehen sein und widmet sich dem Schaffen jüdischer Künstler im Paris jener Zeit. Darunter ist u.a. mit Werken von Chagall, Modigliani durchaus Sehenswertes.
Der Schwerpunkt des Jüdischen Museums ist sicher kein kultureller, sondern ein geschichtspolitischer. Dem ist auch die aktuelle Ausstellung untergeordnet, welche rund 120 Werke, das heißt Gemälde, Grafiken und Skulpturen umfaßt. Dies geht leider bis zur hinsichtlich der Kunstpräsentation eher ungünstigen Raumgestaltung und Beleuchtung.
Vorgegangen wird dabei chronologisch von der Entdeckung der Kunstmetropole Paris durch jüdische Künstler aus ganz Europa. So war Béla Czóbel zuvor Mitbegründer einer Keimzelle der ungarischen Moderne in Gestalt der Künstlergruppe „Die Acht“; der Expressionist Rudolf Levy kam aus Deutschland.
Sonia Terk wiederum reiste aus der Ukraine ein; sie heiratete in Frankreich den Maler Robert Delaunay (hieß dann Sonia Delaunay) und ersann gemeinsam mit ihrem Mann, nachdem sie sich zunächst vor allem an Henri Matisse und dem Fauvismus orientiert hatte, den Orphismus, eine farbenfrohe Variante des Kubismus.
Kubismus, Fauvismus und frühe Abstraktion spielen bei vielen der gezeigten Arbeiten eine Rolle; den damaligen Strömungen der französischen Avantgarde konnten sich natürlich auch die jüdischen Künstler nicht entziehen. Otto Freundlich, Louis Marcoussis, Henri Hayden, Alice Halicka, Léon Indenbaum und Alfred Reth gehören zu den Künstlern, die uns hier begegnen.
Zwei besonders originelle Maler, die eine herausragende Rolle spielten, waren zum einen Amedeo Modigliani mit seinem von afrikanischer und pazifischer Formbildung beeinflußten Neo-Manierismus sowie, als vielleicht bedeutendster Vertreter der frühen jüdischen Moderne, der aus Weißrußland nach Paris gekommene Marc Chagall. Von letzterem ist das Meisterwerk „L'Atelier“ von 1911 zu sehen, welches das Glanzlicht der Schau darstellen dürfte.
Chagall spielt auch insofern eine außergewöhnliche große Rolle, als sich in seiner Person das merkwürdige Schillern des Judentums zwischen Kosmopolitismus und gleichzeitiger Betonung der eigenen ethnisch-religiösen Identität exemplarisch zeigt. Doch auch andere Künstler wie Mané Katz oder die frühere Kubistin Alice Halicka beteiligten sich an der Wiederentdeckung der jüdischen Tradition, der so bezeichneten „Renaissance Juive“.
„Zionismus“ war für viele intellektuelle Juden das Schlagwort der Stunde. Die zionistischen Führer begrüßten die Entfremdung und aufkommende Spannungen zwischen Juden und Nichtjuden, das Ende der Assimilation. Das Projekt des jüdischen Nationalstaates Israel stand bereits in den Startlöchern. Ob sie die kommende Katastrophe ahnten? Dieser fielen auch zahlreiche Künstler zum Opfer, darunter Rudolf Levy, Alice Hohermann und Felix Nussbaum.
Damit endet dann auch die Ausstellung. Das Zentrum der jüdischen Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA mit dem dort aufkommenden „abstrakten Expressionismus“ um Jackson Pollock, Lee Krasner usw. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Jüdische Museum befindet sich in der Lindenstr. 9–14 in 10969 Berlin und hat täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8,-, ermäßigt 3,- Euro.
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