Berlin – Der Flame Hugo van der Goes kann wohl zu den bedeutendsten Meistern der altniederländischen Malerei gezählt werden: Ein Künstler, der im Rang kaum hinter Rogier van der Weyden oder Jan van Eyck zurücksteht. Sein erhaltenes Werk ist allerdings überschaubar und weit verstreut. Die Gemäldegalerie in Berlin hat sich dennoch an einer Gesamtschau versucht – mit ein wenig Trickserei, doch vor allem mit Erfolg. Bis zum 16. Juli 2023 soll „Zwischen Schmerz & Seligkeit“ zu sehen sein.
Biographisches ist uns über Hugo van der Goes nur in geringem Maße überliefert, Vieles muß Spekulation bleiben. Sein Geburtsjahr dürfte zwischen 1435 und 1440 gelegen haben, als Geburtsort wird Gent angenommen. Aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten wird eine Lehrzeit bei Rogier van der Weyden in Brüssel vermutet; diese Annahme wird hier auch mit einigen Gemälden Rogiers illustriert.
Erst 1467 tritt er erstmals namentlich in Erscheinung, und zwar als Meister der Lukasgilde (Malerzunft) in Gent; 1474 bis 1476 war er deren Vorstand. Nur zwei Bilder aus jener Zeit sind sicher zugeschrieben, der Monforte-Altar, welcher zur Sammlung des Hauses gehört und den Mittelpunkt der Ausstellung bildet, sowie ein Wandbild, welches jedoch nur durch Kopien bekannt ist.
Genannter Monforte-Altar ist indes höchst unvollständig erhalten, nämlich nur durch sein Mittelstück, wobei selbst von diesem noch ein oberer „Aufsatz“ fehlt. Dieser wurde für die Ausstellung als Hypothese rekonstruiert; Kopien und angelehnte Werke anderer Künstler dienen zur weiteren Veranschaulichung.
Ende 1475 trat Hugo aus nicht näher bekannten Gründen in das Roode-Kloster bei Brüssel ein, wo in den Jahren darauf der Hauptteil seiner bekannten Werke entstand. 1481 hatte er auf der Rückreise von Köln ins Kloster einen Anfall von Wahnsinn einschließlich Selbstmordabsichten, wobei unbekannt ist, ob er sich wieder erholte.
Er verstarb jedenfalls noch im folgenden Jahr und fand auch als frühes Beispiel eines Grenzgängers zwischen Genie und Wahnnsinn Eingang in die Kunstgeschichte. Veranschaulicht wird dies hier durch diesbezügliche Zitate Vincent van Goghs, das Original-Manuskript eines Klosterbruders sowie das beeindruckende Gemälde „Der Wahnsinn des Hugo van der Goes“ des belgischen Realisten Emile Wauters.
Die versammelten Werke sind in der Wandelhalle der Gemäldegalerie nach gemischten (biografischen und thematischen) Gesichtspunkten angeordnet, sparsam und wirkungsvoll beleuchtet, wie es sich für Alte Meister anbietet und in den letzten Jahren zurecht eingebürgert hat: Analog zum barocken Helldunkel wird der Raum recht dunkel gehalten, und die Gemälde treten durch Spotbeleuchtung deutlich hervor.
Biblische Szenen, Madonnenbilder und Porträts sind unter den Gemälden, ergänzend gibt es einige Zeichnungen und Druckgrafiken. Der erste der Tricks: Ein Großteil der Werke ist nur bedingt dem Meister selbst zugeschrieben, bei manchem Werkstattbild mag er selbst Hand angelegt haben, andere sind von Schülern und Nachahmern geschaffen. Dies begünstigt allerdings wiederum auch die Möglichkeit, den Einfluß Hugos auf spätere Künstler zu veranschaulichen.
Der zweite Trick: Monumentalgemälde, die nicht für die Ausstellung zur Verfügung standen, sind als Drucke in Orginalgröße Teil der Ausstellung. Dennoch konnte mit den zahlreichen Leihgaben aus Prag, Venedig, Brügge, Den Haag, Baltimore, New York, Antwerpen, Hamburg, Dresden, Wien, Frankfurt, London, Neapel, Granada und Stockholm eine beeindruckende Übersicht zusammengestellt werden.
Insgesamt läßt sich feststellen, daß der Gemäldegalerie eine wirklich beachtliche Ausstellung gelungen ist, auch ist Ihrem Schreiberling positiv aufgefallen, daß auf die mittlerweile übliche verkrampfte Ideologisierung verzichtet wurde und die Begleittexte gut lesbar und informativ sind. Sehr schön. Im Hirmer-Verlag ist zudem ein Katalog zur Ausstellung erschienen.
Die Gemäldegalerie befindet sich im Kulturforum am Matthäikirchplatz in 10785 Berlin. Geöffnet hat sie von Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr. Tickets können online sowie vor Ort erstanden werden.
Verweise:
https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/gemaeldegalerie/ausstellungen/detail/hugo-van-der-goes/