Es ließe sich mit einer gewissen Berechtigung behaupten, daß es mit Teilen des Frühwerks von Adolph Menzel (etwa „Das Balkonzimmer“ von 1845 als bekanntestem Beispiel) in Deutschland eine impressionistische Malerei gegeben hatte, bevor diese in Frankreich Gestalt und Namen gewann. In Paris wurde diese Rolle Menzels auch durchaus anerkannt. Als tatsächliche Bewegung gab es den Impressionismus in Deutschland dennoch erst als de-facto-Reimport. Gotthardt Kuehl war einer der frühen Vertreter dieser Strömung, als er zum Ende des 19. Jahrhunderts einen französisch geprägten Stil in Dresden aufleben ließ.
Geboren wurde der Sohn eines Volksschullehrers 1850 in Lübeck; er begann zunächst eine kaufmännische Ausbildung, doch verlangte seine Liebe zur Kunst ausgelebt zu werden, und so studierte er ab 1867 an der Dresdener Kunstakademie bei Johann Karl Ulrich Bähr und Karl Wilhelm Schurig und ab 1870 an der Akademie der Bildenden Künste in München.
In München war sein Lehrer Wilhelm von Diez, welcher im Laufe seines Lebens zahlreiche später bedeutende Künstler unterweisen konnte, unter diesen den Realisten Wilhelm Trübner, den Impressionisten Max Slevogt und den Expressionisten Franz Marc. In seinen Studienjahren nahm Kuehl bereits an akademischen Kunstausstellungen teil.
Von 1878 bis 1889 lebte er in Paris, wobei der französische Impressionismus ihn in den Bann zog, stellte 1880 bereits erstmals auf dem Pariser Salon aus, und auf Reisen nach Italien und Holland studierte er die Werke der alten Meister. In Holland lernte er überdies Max Liebermann kennen, dessen Arbeit ihn gleichfalls deutlich beeinflussen sollte – Kuehl und Liebermann gehörte zudem beide 1892 zu den Gründungsmitgliedern der Münchener Secession.
1893 rief Kuehl seinerseits die erste Dresdner Sezession ins Leben und wurde eines der bekanntesten Mitglieder der Künstlerkolonie Goppeln. 1895 berief ihn die Dresdner Akademie zum Leiter des Ateliers für Genremalerei.
Kuehl fand seinerzeit mit der Teilnahme an großen Kunstausstellungen in London, München und Madrid bereits internationale Anerkennung, insbesondere seine im Sinne des impressionistischen Spiels von Licht und Schatten meisterhaft ausgeführten Intérieurs wurden sehr gelobt, wohingegen die akademischen Maler Dresdens ihm weitgehend ablehnend gegenüberstanden.
Dennoch fanden sich Anhänger, Verbündete und eine ganze Reihe von Schülern, und Kuehl wurde zum vordersten Vertreter der impressionistisch geprägten Dresdner Malschule. Erfolg und Tatkraft Kuehls waren unbestreitbar, und auf der Internationalen Kunstausstellung in Berlin 1896 wurde er mit einer großen Goldmedaille geehrt.
Im Jahr 1902 gründeten mehrere seiner Schüler die recht vielseitige Künstlervereinigung „Die Elbier“ in direkter Nachfolge der Dresdner Sezession und machten ihn zum Ehrenvorsitzenden; er gehörte zu den frühen Vorstandsmitgliedern des 1903 gegründeten Deutschen Künstlerbundes, und 1909 rief er die Künstlervereinigung Dresden mit ins Leben. Bis zu seinem Tod 1915 blieb er als bei Kollegen geachteter und bei seinen Schülern beliebter Lehrer an der Dresdner Akademie tätig.
Kuehl war einer der ersten, die einen französisch geprägten (wenn auch farblich zurückhaltenderen) Impressionismus in Deutschland salonfähig machten. Besonders seine Intérieurs und Dresdner Stadtansichten erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Gemälde Kuehls finden sich in zahlreichen bedeutenden Sammlungen und sind unter anderem in der Dresdner Galerie Neue Meister, in der Städtischen Galerie Dresden, in der Alten Nationalgalerie in Berlin, im Münchner Stadtmuseum und in der Kunsthalle Hamburg zu besichtigen.
Verweise:
http://www.stadtwikidd.de/wiki/Gotthardt_Kuehl
https://sammlung.museum-behnhaus-draegerhaus.de/kuenstler/gotthardt-kuehl-26
https://www.lempertz.com/de/kataloge/kuenstlerverzeichnis/detail/kuehl-gotthardt.html
https://www.neumeister.com/kunstwerksuche/kuenstler/17423/0/