Maurice Prendergast „Marblehead“ (Aquarell, 1914/15)
Maurice Prendergast „Marblehead“ (Aquarell, 1914/15)


Ein sehr eigenständiger und faszinierender Künstler war der Amerikaner Maurice Brazil Prendergast. Dieser schuf einen Stil, welcher sichtlich vom Impressionismus beeinflußt war, doch sich eigene Regeln setzte. Die aus fein abgestimmten Farbtupfern mosaikartig zusammengesetzten Aquarelle führen heute zu seiner Einordnung in die doch sehr vielfältige Strömung der Postimpressionisten.

 

Das Licht der Welt erblickte er 1858 in St. John’s im damals noch den Briten gehörenden Neufundland, wo die Firma des Vaters einen Handelsposten unterhielt. Nach dessen Konkurs begab sich die Familie nach Boston, wo Maurice bei einem gewerblichen Maler in die Lehre ging. Es heißt, seine Liebe zu leuchtenden Farben und Mustern stamme bereits aus jener Zeit. Einen entscheidenden Einfluß hat später auch Childe Hassam gehabt, ein führender Künstler der impressionistischen Boston School.

 

Von 1891 bis 1895 studierte Prendergast in Paris, sowohl an der Académie Colarossi, wo seine Lehrer der akademische Maler Gustave Courtois und der Orientalist Benjamin Constant waren, als auch an der Académie Julian. Durch seinen kanadischen Malerkollegen James Morrice kam er mit den Engländern Walter Sickert, einem eigenwilligen Postimpressionisten, sowie dem Pionier des Art Nouveau Aubrey Beardsley in Kontakt, auch mit den beiden Nabis Pierre Bonnard und Édouard Vuillard baute er Bekanntschaften auf (sein Stil läßt sich mit dem dieser Gruppe vielleicht noch am ehesten vergleichen, wirkt jedoch naiver und jugendlicher). Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Georges Seurat dürften ihn in den Pariser Jahren ebenfalls beeinflußt haben.

 

Als er 1895 wieder nach Boston ging, hatte er seinen eigenen Stil im Wesentlichen bereits gefunden; seine Aquarelle lebten von stark kontrastierenden, reinen Farben, welche sorgfältig angeordnet waren, die Bilder setzten sich aus den Farbtupfern wie Mosaike zusammen – etwas verwandt mit den Divisionisten, und doch ganz eigen. Eine Reise nach Venedig im Jahr 1898 machte ihn mit den Arbeiten des Renaissancekünstlers Vittore Carpaccio vertraut und inspirierte ihn zu noch ausgefeilteren Anordnungen. Prendergasts Arbeiten aus jener Zeit zählen zu seinen bedeutendsten.

 

Im Jahr 1900 hatte er Ausstellungen in Chicago und New York, welche zu großen Erfolgen gerieten, bei einer Ausstellung im National Arts Club 1904 freundete er sich mit John Sloan, William Glackens und John Henri an. Insbesondere Glackens wurde ein enger Freund, und Henri zeigte sich von den Arbeiten Prendergasts ausgesprochen beeindruckt, daß er ihn, obwohl dieser stilistisch dem urbanen Realismus denkbar fernstand, überzeugte, sich an einer Gruppenausstellung in der Macbeth Gallery 1908 zu beteiligen, die als Startschuß der Gruppe „The Eight“ gilt.

 

Eine stilistische Annäherung an die aus der Gruppe hervorgegangene „Ashcan School“ des amerikanischen Realismus fand indes nicht statt; Prendergast hatte seine eigene, überaus liebenswerte Weise des künstlerischen Ausdrucks gefunden, die er allenfalls noch perfektionierte. Die Armory Show von 1913 gilt als begründende Ausstellung der amerikanischen Moderne; die dort gezeigten Arbeiten Prendergasts belegten seine Reife, doch auch seinen vollkommen einzigartigen Stand. Der äußerst schüchterne Individualist blieb übrigens privat sein ganzes Leben lang Junggeselle.

 

Eine Ausstellung von 1916 in der Montross Gallery zeigte seine Arbeiten zusammen mit solchen von Cézanne, Matisse, Seurat und van Gogh, künstlerische Anerkennung noch zu Lebzeiten blieb ihm also nicht verwehrt. Dennoch wurde dem Sonderling, als er 1924 starb, vom Metropolitan Museum of Art keine Gedenkausstellung gewidmet. Eine solche fand erst zehn Jahre nach seinem Tod im Whitney Museum of American Art statt.

 

Prendergast malte vor allem Aquarelle; Strand- und Parkszenen zählen zu seinen bekanntesten Arbeiten. Daneben schuf er zwischen 1895 und 1902 über 100 Monotypien. Die Ölmalerei praktizierte er erst später in seinem Leben in größerem Umfang.

  

Verweise:

http://www.mauricebrazilprendergast.org/

https://www.wikiart.org/de/maurice-prendergast

http://www.artnet.de/künstler/maurice-brazil-prendergast/

https://americanart.si.edu/artist/maurice-prendergast-3875

https://www.museothyssen.org/en/collection/artists/prendergast-maurice

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