Berlin – Karl Hagemeister war ohne Frage einer der bedeutendsten und eigenwilligsten Vertreter der als „Impressionismus“ bezeichneten deutschen Freilichtmalerei. Das Bröhan-Museum in Charlottenburg, welches einige der Werke des Meisters in seinen Beständen hält, beschäftigt sich in seiner bis zum 30. Juli 2023 angesetzten aktuellen Ausstellung mit der Frage, inwieweit Hagemeister bereits abstrakte Tendenzen verfolgt hat und stellt seine Bilder zu diesem Zweck den Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenüber.
2017 hatte das Bröhan-Museum Werke Hagemeisters zusammen mit denen seines ähnlich brillanten Kollegen und Freundes Walter Leistikow ausgestellt, und auch danach immer wieder einige der Werke gezeigt, und auch im Potsdamer Stadtmuseum war erst 2020 eine fulminante Schau des Künstlers zu sehen.
„Das Ende der Malerei. Karl Hagemeister und die Malerei heute.“ soll nun eine bislang nur angezeichnete Perspektive auf das Werk des Künstlers eröffnen. Um Licht in die Frage nach der Modernität Hagemeisters zu bringen, wurden die Werke von 18 Künstlern der Gegenwart hinzugezogen.
Es sei gleich gesagt: Man erwarte nicht zu viel. Die Hagemeister-Werke sind, bis auf ein Mohnfeld aus dem Stadtmuseum von Brandenburg an der Havel von 1910, ausschließlich jene aus den hauseigenen Beständen. Aber auch nicht zu wenig, denn unter diesen sind außerordentliche Meisterwerke, die nicht nur beim ersten Kontakt zu fesseln wissen.
So tritt uns etwa in „Birken am Fluß“ (1902) ein Künstler gegenüber, welcher mit außerordentlicher Kraft einen völlig eigenen Stil entwarf. Der lebensgroße Ausschnitt aus der Natur, gegen welchen selbst die paysages intimes der Schule von Barbizon wie Panoramen erscheinen, packt den Betrachter unmittelbar, man wähnt sich mitten im Geschehen, als Teil der Natur – und dabei ist der Pinselstrich denkbar breit; erst im Auge setzt sich aus den Farbflächen die Kleinstlandschaft zusammen.
Die 1910 bis 1915 entstandenen Wellenbilder rühren vielleicht am stärksten an der Grenze zur Abstraktion; hier wird die Betrachtung des Details so weit getrieben, daß das Bild – beinahe – schon als Farbkomposition statt als Darstellung eines Ausschnittes der sichtbaren Welt gehalten werden könnte.
Auch das Großgemälde „Teich in der Mark“ (1902) sollte unbedingt erwähnt werden; hier scheinen die Seerosenblätter auf seltsame Weise über der Wasseroberfläche zu schweben. Ein Erlebnis. Überhaupt: Man fragt sich, warum dieser Künstler nicht weltweit zu den großen Namen gehört; ganz sicher war er einer der originellsten und fähigsten Vertreter der frühen Moderne in Deutschland.
Nun sind also jenen hagemeisterlichen Arbeiten die einer ganzen Reihe von Gegenwartskünstlern gegenübergestellt. Es liegt in der Natur der Sache, daß das Niveau hierbei recht unterschiedlich ist. Unbedingt zu loben sind jedoch die einfühlsame Kombination, das sichere Gespür für das Wesentliche, wenn Antworten auf die Frage gesucht werden, welche Ansätze der Moderne bei Hagemeister im Keim zu finden sind, und welche Künstler diese weitergeführt haben.
Als ein Gegenwartskünstler, der es selbst zu höchster Meisterschaft gebracht hat, ist hier vor allem Danja Akulin mit seinen äußerst feinfühligen, großformatigen Bleistift(!)-Landschaftszeichnungen zu nennen, die sich an der Grenze zwischen Naturwiedergabe und Erkundung wiederkehrender Muster befinden.
Doch auch andere Künstler verdienen Erwähnung, etwa Susanne Knaack mit ihren schwarz-weißen Acrylkompositionen, Erik Schmidt mit seiner malerisch-reliefartigen Bearbeitung einer Berlin-Fotografie aus Vogelperspektive oder der nahezu fotorealistisch arbeitende Johannes Schramm.
Es sei zuletzt darauf hingewiesen, daß auch in der Dauerausstellung im Erdgeschoß zwischen Jugendstil-Möbeln mit dem Mohnfeld von 1875 noch eine frühe Gouache Hagemeisters zu sehen ist, welche zu betrachten sich durchaus lohnt.
Das Bröhan-Museum befindet sich in der Schloßstr. 1a in 14059 Berlin (gegenüber dem Schloß Charlottenburg) und hat von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet regulär 8 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.
Verweise:
https://www.johannes-schramm.de/