Han van Meegeren mit seinem Bild „Jesus und die Schriftgelehrten“, 1945
Han van Meegeren mit seinem Bild „Jesus und die Schriftgelehrten“, 1945

Berlin – Der Vorwurf lautete, während des Krieges nationales Kulturgut der Niederlande, nämlich ein wertvolles Gemälde des Jan Vermeer van Delft, an Hermann Göring verkauft zu haben. Ein nicht ganz harmloser Vorwurf. Besser noch war da, die Wahrheit zu gestehen: Daß sämtliche Bilder Vermeers, die zwischen 1935 und 1945 „entdeckt“ worden waren, aus seiner eigenen Werkstatt stammten. Damit ging Han van Meegeren als einer der genialsten Kunstfälscher in die Geschichte ein.

 

Han van Meegeren war 1889 als Henricus Antonius van Meegeren in Deventer geboren worden. Der Vater soll ihm jedwede künstlerische Betätigung untersagt und ihn von früh an zum Versager abgestempelt haben, was für seine spätere Entwicklung bestimmend wurde. Mit acht oder neun Jahren begann er zu zeichnen, erhielt während der Schuljahre Unterricht bei dem Lehrer und Maler Bartus Korteling, der ihn für das goldene Zeitalter der niederländischen Malerei und Vermeer begeisterte und ihm zeigte, wie dieser seinerzeit die Farben mischte.

 

Ab 1907 studierte er auf Wunsch des Vaters Architektur in Delft, nebenbei besuchte er die Kunstschule. 1913 brach er jedoch das Architekturstudium ab, um sich ganz dem Malen und Zeichnen zu widmen. 1914 erhielt er schließlich in Haag sein Zeichendiplom, eine angebotene Professur lehnte er hingegen ab, um als Künstler selbständig zu bleiben. Bald betätigte er sich auch als Kunsthändler und Restaurator alter Gemälde.

 

In den frühen 20er Jahren hatte er mit einer Reihe biblischer Gemälde kommerziellen Erfolg, und eine Zeichnung von 1921, welche ein der Prinzessin Juliana gehörendes zahmes Reh abbildete, erlangte als „Hertje“ in den Niederlanden einen gewaltigen Bekanntheitsgrad.

 

Die Beliebtheit beim Publikum stand jedoch im krassen Gegensatz zur Einschätzung der Kunstkritiker, welche seine ungeniert an eine vergangene Stilepoche angelehnten Bilder als Kitsch abqualifizierten und ihm eigene schöpferische Leistung absprachen. Die Gegensätze verschärften sich noch, als Han van Meegeren in einem von ihm mitherausgegebenen Magazin in polemischen Artikeln gegen die zeitgenössische Kunstkritik wetterte.

 

Er fühlte sich vor allem persönlich gekränkt und wollte nun beweisen, daß er den Stil der alten Meister nicht nur nachahmen konnte, sondern so perfekt beherrschte, daß die zeitgenössische Kritik seine Arbeiten für alte Originale halten würde. Darauf bereitete er sich mehrere Jahre, von 1932–37, ausführlich vor, indem er die Biographien, Techniken und Werke der alten Meister bis ins Detail studierte.

 

Für seine Bilder besorgte er sich dann zunächst billige große Ölgemälde aus der Zeit Vermeers, um an alte Leinwand zu kommen. Sorgfältig wusch er mit Tinkturen die Farben ab, falls er sie nicht für seine Arbeiten mitbenutzen konnte. Die Farben stellte er selbst nach alter Weise her, wofür er sich Bleiweiß, Indigo und Zinnober beschaffte, und aus England ließ er hochpreisige Lapislazulisteine kommen, um Vermeers originales Blau nutzen zu können. Für die Pinsel verwendete er, wie einst Vermeer, Dachshaare, damit keine falsche Borste die spätere Entstehung verriete.

 

Auch einige Requisiten aus der „alten Zeit“ erstand er zur Herstellung der Bilder. Durch ein besonderes Verfahren der Trocknung im Backofen bei 100 bis 120 Grad sorgte er dafür, daß seine Bilder die für alte Originale typischen Krakeleen, netzartige Risse und Verletzungen, bekämen. Nachdem die Gemälde mit einer möglichst historisch richtigen Harzlösung gefirnißt wurden, waren sie zur „Entdeckung“ bereit.

 

Die Werke fanden ihre Abnehmer und, trotz der Einwände erfahrener Kunsthistoriker (wie Abraham Bredius, der das Bild 1937 zuerst als Original anerkannte, doch ein Jahr später widerrief), großen Zuspruch bei der Kunstkritik. Die weitverbreitete Begeisterung ließ diese nicht mehr an eine mögliche Fälschung denken (wollen); Han van Meegeren konnte dank seiner hochentwickelten Eulenspiegeleien ein Leben in Luxus führen.

 

Der prominenteste Abnehmer eines falschen Vermeer wurde Hermann Göring, der „Christus und die Ehebrecherin“ in Carinhall zur Schau stellte, wobei dieses Bild wegen der Verwendung des zu Vermeers Zeiten noch nicht bekannten Kobaltblau als weniger vollkommene Fälschung gilt.

 

Doch genau dieser Verkauf an Göring führte dazu, daß Ha van Meegeren selbst sich als Kollaborateur verantworten sollte, wofür ihm mehrere Jahre Zuchthaus drohten. Angesichts dessen gestand er: „Das in Görings Hände gelangte Gemälde ist nicht, wie Sie annehmen, ein Vermeer van Delft, sondern ein van Meegeren! Ich selbst habe das Bild gemalt!“

 

Das Gericht wollte dies zunächst nicht glauben, weshalb er von Juli bis September 1945, während der Untersuchungshaft, den letzten (diesmal nicht signierten) „Vermeer“, „Jesus und die Schriftgelehrten“, siehe Titelbild, auf die Leinwand brachte.

 

Es war Professor Paul Coreman, der im Auftrag des Gerichts mit anderen Gutachtern zusammen in mühevoller Arbeit die zahlreichen Fehler, die Han van Meegeren in den Bildern begangen hatte, nachwies und das Urteil mehrerer Fachleute, die sich vorher bereits von der allgemeinen Euphorie um die neuentdeckten Bilder Vermeers und Frans Hals’ nicht hatten täuschen lassen, klar bestätigte.

 

Pikanterweise waren es vor allem die Besitzer der gefälschten Bilder, die sich weigerten, die Beweise der Fachleute anzuerkennen und darauf bestanden, originale Gemälde Vermeers erstanden zu haben. Dies sagt natürlich wenig über die Kunst, viel jedoch über die menschliche Natur aus. Wer will schon gerne betrogen sein? Unter den Holländern erlangte Han van Meegeren indes Kultstatus als brillanter Schelm, der Göring und die Kunstkritik hinters Licht geführt hatte.

 

Der Vorwurf der Kollaboration bzw. des Verkaufs nationalen Kulturgutes an den Feind wurde fallengelassen, stattdessen lautete die Anklage nun auf Fälschung und Betrug, wofür die Staatsanwaltschaft zwei Jahre Gefängnis forderte. Das Urteil im November 1947 lautete schließlich auf ein Jahr Haft, welche er jedoch aufgrund seines gesundheitlichen Zusammenbruchs und baldigen Todes nicht antrat. Eine witzige Ergänzung ist noch, daß van Meegeren selbst nach seinem Tod so beliebt wurde, daß es nicht nur seine Fälschungen gab, sondern sogar Fälschungen seiner Fälschungen auftauchten ...

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