Budapest – In Budapest, liebe Leser, ist der Genius los. Nicht nur Tivadar Kosztka Csontváry wird derzeit mit einer fulminanten Sonderausstellung gewürdigt, sondern auch ein weiterer Großer der ungarischen Malerei, der Symbolist Lajos Gulácsy. Bis zum 27. August 2023 soll „Der Prinz von Na’Conxypan. Die Kunst von Lajos Gulácsy (1882–1932)“ zu sehen sein.
Wie die im Titel enthaltenen Lebensdaten erahnen lassen, war wie bei Csontváry auch im Falle Gulácsys ein Jubiläum der Anlaß der Ausstellung, welche ursprünglich für das Vorjahr geplant war, doch verschoben wurde. Der 140. Geburtstag oder 90. Todestag wäre zu begehen gewesen.
Ob nun der Zeitpunkt genau eingehalten werden konnte oder nicht, dürfte jedoch angesichts dessen, was gezeigt wird, von allenfalls sekundärer Bedeutung sein. 200 Werke wurden zusammengetragen, darunter 84 Gemälde, vor allem Gulácsys selbst, doch auch einige von Künstlern, die ihn beeinflußt hatten, sich in seinem Umfeld aufhielten und/oder von ihm beeinflußt wurden.
Bemerkenswert ist, daß Gulácsy außerhalb Ungarns nahezu unbekannt ist; als symptomatisch angeführt werde kann, daß es bislang nur einen wenige Zeilen langen Wikipedia-Eintrag auf Englisch und sonst keinen einzigen in einer anderen Sprache als dem Ungarischen gibt.
Dennoch sollen hier wenige Eckdaten für Gulácsys Lebensweg genügen: 1882 im heutigen Budapest geboren, reiste er 1902 erstmals nach Italien, wo ein Großteil seines Werkes entstehen sollte, doch auch in Paris hielt er sich für längere Zeit auf. Die letzten Jahre verbrachte er, in zunehmender geistiger Umnachtung, doch weiterhin schöpferisch tätig, in einer Nervenheilanstalt seiner Heimatstadt.
Sein Stil wird zumeist dem Symbolismus zugerechnet, wobei vor allem Bezüge zu den britischen Präraffaeliten und der (Wiener) Sezession ausgemacht werden können, doch ebenso finden sich Anleihen aus dem Biedemeier, dem Rokoko und von Meistern des Goldenen Zeitalters der Niederländischen Malerei.
Impressionistische Techniken sind bisweilen auch zu finden, während die Beschäftigung mit Traumwelten den Surrealismus vorwegnimmt und die im Kontext seiner fortschreitenden Erkrankung entstandenen Werke gerne als frühes dokumentiertes Beispiel von „Art brut“ gesehen werden – allerdings mit der Besonderheit, daß hier ein bereits gereifter Meister erst zum „Irren“ wurde.
Die ungarische Nationalgalerie besitzt selbst die umfassendste Sammlung seiner Werke und konnte weitgehend auf die eigenen Bestände sowie einige Leihgaben zurückgreifen, die, lose chronologisch angereiht, in einer Mischung aus stilistischen und thematischen Gesichtspunkten vorgestellt werden. Dies wiederum in ansprechender Präsentation, und um zahlreiche Fotografien, Dokumente und Werke seiner Vorläufer, Mitstreiter und Nachfolger ergänzt.
Klar wird dabei die außerordentliche Vielschichtigkeit des Oeuvres, doch wollen wir nur einige behandelte Themen herausgreifen: So geht es etwa um den Einfluß der italienischen Landschaft oder die Bezüge zu den Präraffaeliten; auch gibt es eine ganze Reihe von Gemälden, die Figuren aus den Werken alter Meister aufgreifen und zu neuem Leben erwecken – brillant gelöst durch kleine Abbildungen der zitierten Werke auf den Begleittafeln.
Thematisiert werden auch literarische Bezüge (Gulácsy selbst dichtete ebenfalls), gemeinsame Ausstellungen mit Künstlerfreunden, die auf Mars und Mond verorteten SciFi-Fantasie-Welten des Malers, die Rolle von Mars (Kriegsbilder) und Eros (Frauendarstellungen) sowie zuletzt Wahnsinn und Tod des Künstlers.
Ich wiederhole also: Auf nach Budapest, und zwar am besten bis Anfang Juli, damit Sie auch noch die ähnlich gelungene Csontváry-Ausstellung im Museum der Schönen Künste zu Gesicht bekommen. Ein umfassender und gut gestalteter Ausstellungskatalog ist übrigens auf Ungarisch und Englisch erhältlich. In den nächsten Tagen werden wir auf unserer Seite auch noch einige Worte zur Dauerausstellung der Ungarischen Nationalgalerie schreiben.
Die Ungarische Nationalgalerie befindet sich in den Räumlichkeiten des Burgpalastes auf dem Budaberg (1014 Budapest, Szent György tér 2.); geöffnet hat sie von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr; der Montag ist Schließtag.
Verweise:
https://en.mng.hu/exhibitions/gulacsy-the-prince-of-naconxypan-the-art-of-lajos-gulacsy-1882-1932/
https://art-depesche.info/170-jahre-csontvary-grosse-gedenkausstellung-in-budapest