Berlin – Vielleicht liegt es daran, daß das Zeitalter der Industrialisierung, obgleich es den Grundstock für späteren Wohlstand legte, heute einen eher schlechten Ruf hat und für viele vor allem mit Umweltverschmutzung und ausgebeuteten Arbeitern verbunden wird, daß die Industriemalerei recht wenig beachtet wird. Doch für manch begabten Künstler jener Zeit stand die Faszination der Technik im Vordergrund; einer von ihnen war Leonhard Sandrock.
Dieser kam 1867 im schlesischen Neumarkt zur Welt; der Vater war ein Pastor gleichen Namens. Bereits im Alter von fünf Jahren soll er ein Aquarell einer Lokomotive gemalt haben. Die Mutter verstarb bereits 1875, worauf er von Pflegeeltern großgezogen wurde. Nach dem Abitur in Schweidnitz begann er 1887 eine Laufbahn als Offizier der preußischen Armee, welche jedoch 1894 durch einen Reitunfall ein jähes Ende fand.
In Folge absolvierte er ein Studium der Malerei im Atelier des angesehenen Berliner Landschafts- und Marinemalers Hermann Eschke, und früh bereits legte er selbst den Schwerpunkt seines Schaffens auf die Marinemalerei. 1898 trat er dem Verein Berliner Künstler bei.
Er besuchte in den Jahren darauf verschiedenste Häfen und Werftanlagen in Deutschland und Europa, nachgewiesen sind Zaandam (1900), Hamburg (1901), Cuxhaven (1902), Emden (1904), Genua (1906), Nieuport (1907), Flensburg (1909) und Danzig (1910); sein ertragreichstes Sujet war dabei der Hamburger Hafen.
Auch die Industriegebiete Westfalens, Oberschlesiens und Belgiens entdeckte er für sich. Rund 35 Gemälde waren den Stahlwerken gewidmet, und auch Gasanstalten und Elektrizitätswerke, Güterbahnhöfe und Lokomotiven hielt er fest. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er ab 1894 in Berlin.
Sein Stil war dabei an der impressionistischen Freilichtmalerei angelehnt, und gelegentlich lassen die kräftigen Farben auch vor-expressionistische Anklänge annehmen. Ein großer Verehrer war der Schriftsteller und Kunstkritiker Max Osborn, dieser sah in Sandrock „eins der stärksten und hoffnungsvollsten Talente der Berliner Malerzunft, von dem noch Vieles und Gutes zu erwarten ist.“
Gemeinsam mit Hans Hartig, Hans Klohss, Ernst Kolbe, Alfred Liedtke und Carl Wendel rief er den Club Berliner Landschafter ins Leben. Seine Werke, die eine aufstrebende Industrienation ins Bild setzten, fanden großen Anklang. Sandrock beteiligte sich an zahlreichen bedeutenden Kunstausstellungen, etwa ab 1899 regelmäßig an der Großen Berliner Kunstausstellung, und mehrere Museen kauften seine Werke.
Auch auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen von 1938 bis 1944 in München war er regelmäßig vertreten; anscheinend wurde der kraftvoll-impressionistische Stil von den Machthabern durchaus geduldet. Leonhard Sandrock starb 1945 in Berlin; nach dem Krieg geriet er, wie die meisten der späteren deutschen Impressionisten, die das „Pech“ hatten, nicht als „entartet“ eingestuft worden zu sein, zunächst in Vergessenheit, doch in den letzten Jahren begann eine kleine Wiederentdeckung.
Verweise:
http://www.leonhard-sandrock.com/alist.asp?cnt=2005002&main=1&subm=0
http://www.artnet.de/künstler/leonhard-sandrock/
https://www.friedenau-aktuell.de/exkurs-atelierhaus/leonhard-sandrock/