Der Name Gurlitt ist vor allem im Streit um den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt und dessen Wirken in der NS-Zeit sowie die seinem Sohn Cornelius Gurlitt vererbten Bilder in die Schlagzeilen gekommen. Daß die Familie zuvor selbst einen hervorragenden Maler hervorgebracht hat, ist weniger bekannt und soll uns zum Anlaß dienen, auch einmal dieses Kapitel der Familiengeschichte der Gurlitts zu beleuchten.
Unser Mann hieß Heinrich Louis Theodor Gurlitt und wurde 1812 im damals unter dänischer Herrschaft stehenden Altona geboren, damals eine eigenständige Stadt, heute Ortsteil Hamburgs. Als eines von 18 Kindern wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf, hatte allerdings das Glück, daß sein künstlerisches Talent früh entdeckt wurde und Förderung fand.
Die beiden Maler Anton Carl Dusch, ein Landschafter aus Altona, und der mit seinen Eltern befreundete Hamburger Porträtist und Genremaler Günther Gensler wurden seine ersten Lehrer. Von 1828 bis 1832 war er Schüler und Gehilfe des Hamburger Malers und Grafikers Siegfried Detlef Bendixen, und anschließend war er bis 1834 Student der Kopenhagener Kunstakademie, wo er sich die Erringung der Goldmedaille zum Ziel gesetzt hatte, denn der Gewinn wäre eine Studienreise nach Rom gewesen.
Dies hohe Ziel erreichte er nicht, es langte lediglich für Silber, allerdings erwarb er bei Christoffer Wilhelm Eckersberg und Johann Ludwig Lund profunde Kenntnisse der Landschaftsmalerei. Zudem konnte er bis 1875 regelmäßig in Kopenhagen ausstellen, obgleich er im deutsch-dänischen Zwist, der 1864 zum offenen Krieg werden sollte, die deutsche Seite gewählt hatte.
1842 ging er nach Düsseldorf und kam mit bedeutenden Vertreter der Düsseldorfer Schule der Landschaftsmalerei in Kontakt, darunter Andreas Achenbach. Studienreisen in diverse europäische Länder folgten, und von 1844–46 lebte Gurlitt in Rom, wo er als Mitglied des Deutschen Künstlervereins unter den Deutschrömern aktiv war. Danach lebte er für einige Zeit in Berlin, wo er dank Alexanders von Humboldt auch Kontakt zum preußischen Königshof hatte.
Ab 1851 folgten Jahre in Wien und Ausstellungen mit dem Wiener Kunstverein; von 1855 an war er Präsident des Hamburger Künstlervereins von 1832. Von 1860 war er bei Gotha tätig, nach einiger Zeit in Dresden und Plauen zog es ihn schließlich nach Steglitz, damals noch ein Vorort Berlins. Er verstarb 1897 auf seinem Sommersitz im erzgebirgischen Naundorf.
Louis Gurlitt wird oft der Hamburger Schule der Malerei zugerechnet, welche indes stilistisch eher schwer zu fassen ist. Wesentlicher Hintergrund ist, daß Hamburg seinerzeit über keine eigene Kunstakademie verfügte und Hamburger Künstler zum Studieren meist nach Kopenhagen, München, Dresden oder Düsseldorf gingen und überdies Erfahrungen weiter nördlich (Skandinavien) und südlich (Italien) suchten, und es darüber zu einer Verschmelzung dieser verschiedenen Einflüsse kam.
Im Falle Gurlitts bedeutete dies etwa, daß er in seinen Arbeiten das für den Kopenhagener Realismus typische detaillierte Naturabbild mit den idealisierenden Tendenzen der Düsseldorfer Spätromantik verband. So finden sich auch in den verklärtesten Landschaften bisweilen botanisch genaue Pflanzendarstellungen, und real existierende Orte werden durch der romantischen Phantasie entsprungene Zugaben ergänzt. Neben Landschaften schuf er auch Porträts, konnte sich zudem als Zeichner und Druckgrafiker etablieren.
So erfolgreich Gurlitt als Maler war, war sein Privatleben lange von Unglück geprägt, vor allem sei der frühe Tod der ersten beiden Ehefrauen erwähnt. Erst der dritten Ehe war Dauer beschieden. Mehrere von Gurlitts Kindern konnten sich selbst einen Namen machen: Cornelius Gurlitt wurde Architekturhistoriker, Fritz Gurlitt Kunsthändler, Wilhelm Gurlitt Archäologe, Ludwig Gurlitt Pädagoge. Auch die Enkelgeneration brachte Begabungen hervor: die Malerin Cornelia Gurlitt, den erwähnten Kunsthändler Hildebrand Gurlitt und den Musikwissenschaftler Willibald Gurlitt.
Verweise:
https://www.shmh.de/journal-louis-gurlitt/
https://www.zeit.de/1997/46/Mann_des_Tages
https://www.deutsche-biographie.de/sfz49267.html
https://www.kettererkunst.de/bio/louis-gurlitt-1812.php
https://www.lempertz.com/de/kataloge/kuenstlerverzeichnis/detail/gurlitt-louis.html