Berlin – Kurz vor Ladenschluß fand sich Ihr Schreiberling noch in der Ausstellung „Johann Gottfried Schadow – Berührende Formen“ in der Alten Nationalgalerie ein; diese wird nur noch bis zum 19. Februar 2023 zu sehen sein, insofern ist Eile angesagt. Freunde des deutschen Klassizismus kommen hier sicher auf ihre Kosten.
Erstmals seit 30 Jahren haben wir in Berlin eine umfassende Retrospektive Johann Gottfried Schadows (1764-1850), des wichtigsten Vertreters der Berliner Bildhauerschule. Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung ist die sogenannte „Prinzessinnengruppe“, das lebensgroße Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, welches sowohl in der Marmorfassung (1797) als auch im ursprünglichen Gipsmodell (1795) zu bewundern ist.
Dieses Gipsoriginal war erst in jüngster Zeit restauriert worden, und im Rahmen dessen gab es auch umfassende Forschungen zum Künstler, welche in die aktuelle Schau mit eingeflossen sind. Die Nationalgalerie verfügt mit rund 150 Plastiken Schadows über den weltweit größten Bestand an diesen; wobei hier eine Auswahl zu sehen ist, ergänzt um Grafiken und kunsttheoretische Arbeiten.
Neben den Arbeiten Schadows selbst sind Zeitgenossen wie Christian Friedrich Tieck (der Bruder des Dichters Ludwig Tieck), Schadows Sohn Rudolf oder sein bedeutendster Schüler Christian Daniel Rauch mit Skulpturen vertreten. Gemälde aus jener Zeit gibt es u.a. von Thomas Gainsborough, Anton Graff, Adolf Senff, Franz Krüger, Friedrich Georg Weitsch, Friedrich Wilhelm Schadow und Johann Friedrich August Tischbein.
Beleuchtet wird die Rolle des Künstlers als „Direktor aller Skulpturen“ am Oberhofbauamt, als Leiter der Hofbildhauerwerkstatt sowie als Vater der Berliner Bildhauerschule und damit sein Einfluß auf spätere Künstlergenerationen, insbesondere auch das Nachwirken seines Doppelstandbildes in Malerei (etwa auf Sabine Lepsius, Karl Hofer oder Max Slevogt) und Bildhauerei (beispielsweise auf Gerhard Marcks und Adolf von Hildebrand).
In zahlreichen Porträts ist auch Schadow selbst festgehalten, von der Zeichnung bis zum lebensgroßen Gemälde. Es lohnt sich, einen Blick auf die Daguerrotypie Hermann Biows von 1846 zu werfen: Was für ein Charakterkopf!
Die Begleittexte sind teilweise recht interessant, leider aber hier und da durch diese eigenartigen Sternchen unterbrochen, welche möglicherweise ein Räuspern oder Aufstoßen verschriftlichen sollen, jedoch die Lesbarkeit stark einschränken.
Die Alte Nationalgalerie befindet sich auf der Museumsinsel in der Bodestraße, 10178 Berlin. Geöffnet hat sie von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, der Montag ist Schließtag. Der Eintritt kostet regulär 12,-, ermäßigt 6,- Euro; Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.
Verweise:
https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/johann-gottfried-schadow/