Berlin – Die vornehme bürgerliche Welt des späten 19. Jahrhunderts hatte ihre eigenen Vorstellungen stilvollen Lebens und legte großen Wert darauf, diese auch nach außen zu darzustellen. Mehrere bedeutende Maler hatten ihren Schwerpunkt in repräsentativen Porträts dieser High Society; einer von ihnen war der französische Salonmaler Théobald Chartran.
Geboren wurde er 1849 in Besançon; der Vater war am Berufungsgericht tätig, die Mutter adeliger Herkunft. Die Eltern hätten ihn entsprechend gerne als Juristen oder beim Militär gesehen, doch seine Neigung zur Kunst war nicht zu bestreiten, und so studierte er nach Abschluß des Lycée Victor-Hugo in Besançon Kunst in Paris; zunächst bei Alexandre Cabanel und dann an der École des Beaux-Arts.
1871 wurde, nach den Schrecken der Pariser Kommune, der Leichnam Georges Daboys, des Erzbischofs von Paris, exhumiert, um ihm offiziell die letzten Ehren zu erweisen, und Chartran mit einem Porträt des Toten in Amtskleidung beauftragt. Das Gemälde fand großen Zuspruch, und ab 1872 durfte er regelmäßig im Salon der Société nationale des beaux-arts ausstellen; bald wurde er ein bekannter Porträtmaler.
1877 gewann er den mit einem Stipendium verbundenen „Grand Prix de Rome“, und 1878/79 tat er sich vor allem mit Karikaturen für „Vanity Fair“ hervor, welche er mit „T“ signierte; auf diese Weise festgehalten wurden unter anderem Papst Leo XIII., Ernest Renan, Victor Hugo, Giuseppe Verdi, Giuseppe Garibaldi und Charles Gounod.
Eine Zeit in England von 1881 bis 1883 war vor allem von Arbeiten als Porträtist bestimmt, und aus dem gleichen Grund reiste er in späteren Jahren immer wieder in die USA. Als Porträtmaler gehobener Gesellschaftsschichten wird er bisweilen mit James McNeill Whistler, John Singer Sargent oder Giovanni Boldini zusammen genannt; auch stilistisch nicht ganz zu Unrecht, verband er doch den akademischen Hintergrund mit impressionistischen Anleihen.
1899 wurde er von dem US-amerikanischen Industriellen und Mäzen Henry Clay Frick beauftragt, den Friedensschluß nach Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges in einem Historiengemälde festzuhalten, welches Frick später dem Staat schenkte.
Dadurch kam Chartran auch mit dem Präsidenten Theodore Roosevelt in Verbindung. Zunächst porträtierte er dessen Frau Edith und Tochter Alice, dann sollte er den Präsidenten selbst im Gemälde festhalten. Der so gemalte haßte jedoch das betont private statt repräsentative Werk, ließ es schließlich vernichten und beauftragte John Singer Sargent, ein „männlicheres“ Porträt zu malen.
Dennoch reiste Chartran, sicher nicht zuletzt wegen der guten Auftragslage, immer wieder in die USA. Er starb 1907 in Neuilly-sur-Seine. Seine Werke befinden sich unter anderem im Museum des Weißen Hauses in Washington, in der National Portrait Gallery in London und im Musée d'Orsay in Paris.
Verweise:
https://www.newspapers.com/clip/75881164/theobald-chartran-dead/
https://www.npg.org.uk/collections/search/person/mp06781/theobald-chartran-t
https://de.artprice.com/artist/5446/theobald-chartran