Yuma Radne und ihre Werke (Foto der Künstlerin)
Yuma Radne und ihre Werke (Foto der Künstlerin)

Das Interview mit der Künstlerin Yuma Radne führte Ruedi Strese

 

Kürzlich berichteten wir über die aktuelle Ausstellung der Berliner Galerie Ars Pro Dono. Im Mittelpunkt stehen dort die Arbeiten der noch sehr jungen burjatischen Künstlerin Yuma Radne, welche sich in einer lebhaften und eigenen Weise mit den Ursprüngen und der Gegenwart ihres Volkes auseinandersetzt. Wir freuen uns, daß sie uns unsere Fragen beantwortet hat.

 

ART DEPESCHE: Frau Radne, zuerst bitten wir Sie, unseren Lesern kurz etwas über ihren biographischen Hintergrund, insbesondere Ihre künstlerische Ausbildung, zu verraten!

 

RADNE: Ich wurde 2001 in der kleinen Stadt Ulan-Ude geboren. Das ist die Hauptstadt der Burjat-Mongolischen Republik in Rußland. Ich habe mit dem Malen angefangen, als ich noch ein Kind war, und war ab 2005 dort in die Kunstschule gegangen. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich von der Stieglitz-Akademie in Sankt Petersburg erfahren und wollte dort studieren, wißt Ihr, es ist die beste Kunstakademie in Rußland. Das war mein Traum. Später bekam ich ein großes Interesse an Europa, und die Akademie der Bildenden Künste Wien war mein neuer Traum geworden. Das war 2018, ich habe mit Schule der Schluß gemacht, ich war 17, wollte nach Wien umziehen. „Das ist zu weit“ – sagten meine Eltern. „Vielleicht mußt du vorher 18 werden und mit mehr Erfahrung dorthin gehen.“ So ich habe angefangen, mich auf die Stieglitz-Akademie vorzubereiten – ich sollte viele schwierige Prüfungen bestehen. Dann wurde ich angenommen, und ich erinnere mich, daß ich dachte: Wien, Wien ... Sankt Petersburg ist nur für ein Jahr. Ich muß hier nicht stecken. Dann, im Frühling 2019, habe ich meine Kunstmappe verschickt, und sie ist wegen eines Fehlers des Unternehmens nicht angekommen. Schicksal? Ich habe von der Kunstuniversität Linz erfahren, die Prüfungen dort muß man nur im Sommer machen. So bin ich in Linz gelandet. Es war ein tolles Jahr, und nun endlich bin ich an der Akademie der Bildenden Künste Wien, studiere Gegenständliche Malerei bei Kirsi Mikkola.

 

ART DEPESCHE: Gibt es eigentlich große Unterschiede zwischen dem Studium in Sankt Petersburg und in Wien?

 

RADNE: Es gibt wirklich große Unterschiede! Das Studium in Rußland ist sehr traditionell, wir haben jeden Knochen des Körpers studiert, Kopien von alten Fresken gemacht, es ging nur um Technik. Moderne Kunst wurde dort oft verurteilt. Man kann nach der russischen Akademie sehr gut malen, aber keinen eigenen Stil haben.

 

ART DEPESCHE: Ich habe gelesen, daß Sie als Kind schon wußten, daß Sie Künsterin werden wollen. Schicksal?

 

RADNE: Vielleicht. Ich denke, wenn man ein Künstler ist, bleibt einem keine Wahl. Zumindest bei mir funktioniert das so. Wenn ich kein Künstler wäre, könnte ich nichts Anderes tun. Es war nicht meine Wahl, es ist nur die Energie, die mich dazu drängt, Kunst zu machen, und ich kann dieser Energie nicht widerstehen – so erkläre ich es mir selbst.

 

ART DEPESCHE: Derzeit haben Sie eine Ausstellung in der Berliner Galerie ARS PRO DONO. Wie kam es eigentlich dazu?

 

RADNE: Mein erstes Mal in Berlin war ich dort mit einer Freundin von mir, die Kunstgeschichte studiert, und in der Galerie Ars Pro Dono ein Praktikum machen will. Sie hat mit dem Galeristen Alexej Schreiner Wein getrunken, dann bin ich gekommen, und wir haben viele Stunden über Kunst geredet. Dann habe ich Alexej meine Arbeiten geschickt.

 

ART DEPESCHE: Sie sind eine Künstlerin, die sehr gerne alles mögliche ausprobiert. Welche Maltechnik sagt Ihnen am meisten zu? Was haben Sie noch nicht versucht, möchten es aber gerne einmal tun?

 

RADNE: Ich werde noch viel probieren, ich bin erst 19. Jetzt kann ich das nicht sagen - die Welt ist so groß, ich habe viel zu tun hier.

 

ART DEPESCHE: In manchen Ihrer Arbeiten, etwa „Yokhor“, scheinen Humor und Traurigkeit dicht verwoben ...

 

RADNE: Yokhor ist unser traditioneller burjatischer Tanz, und in meinen zwei Arbeiten „Yokhor“ und „Yokhor 2“ habe ich über Kolonisierung und Dekolonisierung nachgedacht – auf den Bildern tanzen die Personen ohne Kleidung, weil sie keine traditionelle Kleidung mehr haben, aber sie versuchen es.

 

ART DEPESCHE: Erde und Himmel – welche Bedeutung haben diese in Ihrer Kunst?

 

RADNE: Erde und Himmel haben eine große Bedeutung in meinen Arbeiten. Der Himmel, der Tengeri heißt, ist unsere Religion. Diese Idee, daß der Himmel der Gott ist, hilft mir.

 

ART DEPESCHE: Und welche Rolle haben Ordnung (Kosmos) und Unordnung (Chaos)?

 

RADNE: Kosmos und Chaos sind überall in meiner Kunst. Besonders, wo ich mehr abstrakt male.

 

ART DEPESCHE: Identität ist für Sie ein wichtiges, vielleicht das zentrale Thema. Verliert der moderne Mensch seine Seele? Wohin bewegt sich der Mensch, wenn ihm die Bezüge zur eigenen Tradition und Herkunft fehlen?

 

RADNE: Ich glaube, heutige Identität zu erforschen, ist superinteressant! Besonders von kolonisierten Völkern! Mein Volk ist so klein, ich weiß, daß acht burjatische Leute in Wien wohnen. In Burjatien vielleicht ein bißchen mehr als 200.000. Ich fühle mich jedem Burjaten zugehörig und gemeinschaftlich verbunden. Ich will das speichern. Aber ich weiß nicht, wohin sich der Mensch bewegt – jeder sagt, zur Internationalität ...

 

ART DEPESCHE: Wir nähern uns dem Ende mit leichten Fragen: Welches sind eigentlich Ihre Lieblingskünstler aus Vergangenheit und Gegenwart?

 

RADNE: Franz von Stuck, Kent Williams, Georg Pinteritsch, Haruko Maeda, Ai Xuan, Odilon Redon, Tsuguharu Foujita, Leonid Tskhe und viele moderne Künstler, deren Namen schon klassisch sind.

 

ART DEPESCHE: Und gibt es burjatische Künstler, die Sie unseren Lesern unbedingt ans Herz legen möchten? Wessen Arbeiten sollte man gesehen haben?

 

RADNE: Dashi Namdakov, Zorikto Dorzhiev und sein Vater Balzhinima Dorzhiev, Alla Tsybikova, Alexandra Sakharovskaya, Evgenii Bolsoboyev und die Ertakhanov-Schwestern.

 

ART DEPESCHE: Haben Sie Zukunftspläne?

 

RADNE: Arbeiten und arbeiten.

 

ART DEPESCHE: Frau Radne, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute für Ihr weiteres Schaffen!

 

RADNE: Danke schön!

Verweise:

https://www.yumaradne.com/

https://www.arsprodono.de/?cat=c170_Juma-Radne-juma-radne.html

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