Der amerikanische Impressionismus war eine Bewegung in der Kunst, welche in Europa stark unterschätzt wird und viel zu wenig Beachtung findet. Trotz seiner Ableitung vom französischen Stil hat er Eigenes und Wunderbares hervorgebracht und eine durchaus beeindruckende Zahl inspirierter Künstler. Kalifornien und Boston waren seine Kristallisationspunkte, und eine der führenden Figuren der „Boston School“ war der begnadete und in den USA hochgeehrte Edmund C. Tarbell.
Sein Leben begann er 1862 in Groton, Massachusetts. Der Vater starb bereits im Folgejahr, und der Junge wuchs mit seiner Schwester bei den Großeltern väterlicherseits in Dorchester, einem Vorort Bostons, auf. Ein Interesse am Zeichnen zeichnete sich früh ab, und als Jugendlicher nahm er vorübergehend Unterrichtsstunden bei George H. Bartlett an der Massachusetts Normal Art School. Im Alter von 15 Jahren begann er eine Lehre an der Forbes Lithographic Company, er blieb dort bis 1880.
Im Vorjahr bereits hatte er begonnen, die Schule des Museum of Fine Arts in Boston zu besuchen. Sein Lehrer waren Frederick Crowninshield und der aus Deutschland stammende Direktor Emil Otto Grundmann; mit Robert Lewis Reid und Frank Weston Benson waren bereits zwei spätere Mitglieder der „Ten American Painters” unter seinen Kommilitonen.
1883(84?) ging Tarbell nach Paris und schrieb sich an der berühmten Pariser Académie Julian ein (auch Reid, Benson und einige andere Amerikaner studierten dort in jenen Jahren). Gustave Boulanger und Jules Joseph Lefebvre, die so zahlreiche bedeutende Künstler das Handwerk gelehrt hatten, waren, neben anderen, auch seine Lehrmeister.
Tarbell befaßte sich in Paris ausgiebig mit dem Studium der Gemälde alter Meister im Louvre und lernte zugleich den damals bereits anerkannten Impressionismus kennen. Der Gegensatz aus Beachtung klassischer Formen und impressionistischem Verständnis von Licht und Schatten sollte sein weiteres Werk prägen und wurde insgesamt für die spätere Boston School typisch.
Nach einer ausgedehnten Reise durch Italien, Belgien, Deutschland und die Bretagne kehrte er 1886 nach Boston zurück, wo er als Illustrator, Porträtist und Kunsterzieher zu wirken begann. Er schloß sich der damals von William Merrit Chase geleiteten Society of American Artists an und sollte fortan regelmäßig bei dieser ausstellen, ebenso wie bei der National Academy of Design.
Als sein vormaliger Lehrer Grundmann 1890 starb, übernahm er dessen Position als Leiter der Sektion Malerei an der Schule des Bostoner Museums und wurde ein überaus angesehener Lehrer; die nächsten 23 Jahre seines Lebens behielt er die Stelle. 1891 malte er das Pleinairgemälde „In the Orchard“, welches seinen Ruhm als Maler begründen sollte. Die Gruppe „Ten American Painters“ entstand 1898, neben den bereits genannten waren John Henry Twachtman, J. Alden Weir, und Childe Hassam unter den Mitgliedern.
Tarbells Einfluß auf seine Schüler war so gewaltig, daß im Grunde nicht nur von Schülern, sondern von Anhängern gesprochen werden kann – jene, die seiner Auffassung von Impressionismus folgten, wurden als „Tarbelliten“ bezeichnet. Kennzeichnend war ein für impressionistische Verhältnisse ungewöhnlich hoher technischer Anspruch, was auf den Einfluß der alten Meister des Barock, insbesondere eines Jan Vermeer van Delft, zurückzuführen sein mag.
Ein Konflikt um die Verwaltungsstruktur der Schule im Jahr 1912 führte dazu, daß er und sein Freund Benson sich verabschiedeten und 1914 die der Förderung junger Künstler verschriebene „Guild of Boston Artists“ gründeten, deren Vorsitzender Tarbell bis 1924 blieb.
1918 wurde er zum Leiter der Corcoran School of Art in Washington D. C. erkoren, bis 1926 währte diese Beschäftigung. Dann ging er auf eindringliches Bitten des Museum of Fine Arts wieder nach Boston, diesmal als Vorsitzender des Beraterstabes, bis er sich 1930 aufgrund erneuter Meinungsverschiedenheiten zurückzog. Er starb 1938 in seinem Haus in New Castle, New Hampshire.
Verweise:
https://www.youtube.com/watch?v=cGMwYe1GkLc
https://americanart.si.edu/artist/edmund-c-tarbell-4744
https://www.nga.gov/content/ngaweb/Collection/artist-info.1922.html
https://art-depesche.info/john-henry-twachtman-seine-ursprunge-in-der-munchner-schule
https://art-depesche.info/robert-reid-elegante-frauenportrats-des-amerikanischen-impressionismus