Emil Carlsen „Studie in Grau“ (Öl auf Leinwand, 1906, Dallas Museum of Art)
Emil Carlsen „Studie in Grau“ (Öl auf Leinwand, 1906, Dallas Museum of Art)


Berlin – Aufgrund seiner atemberaubenden, unglaublich feinfühligen Stilleben ist er als der „amerikanische Chardin“ in die Kunstgeschichte eingegangen, und wer die Bilder betrachtet, wird dies sicher nachvollziehen können. In Deutschland ist er völlig unbekannt, es gibt bislang nicht einmal einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag. Dabei dürfte er zu den größten Stillebenmalern seiner Zeit gehören. Später schuf er auch Landschaften und Seestücke, und seine Bedeutung als Kunsterzieher ist nicht zu unterschätzen.

 

Geboren wurde Søren Emil Carlsen 1853 in Kopenhagen, wo er auch Kindheit und Jugend verbrachte. Er kam aus einer kunstsinnigen Händlerfamilie; die Mutter Ane Dorothea Raae hatte bei dem Blumenmaler Johan Laurentz Jensen Unterricht gehabt und malte selbst Blumenbilder, und auch der jüngere Bruder Carl widmete sich später der Malerei.

 

Carlsen studierte an der Königlich Dänischen Kunstakademie Architektur bei Johan Andreas Stillmann, außerdem hatte er Malunterricht bei Christian Blache und dem weithin bekannten Viggo Johansen, welcher ein entfernter Verwandter war. 1872 wanderte er in die USA aus und ließ sich in Chicago nieder.

 

Dort war er zunächst als Gehilfe eines Architekten tätig und nahm zudem weiteren Unterricht bei einem Landsmann, dem heute vergessenen Marinemaler Laurits Holst, welcher jedoch bald nach Dänemark zurückging und Carlsen sein Atelier überließ. Carlsen hatte nun ein professionelles Niveau erreicht, wodurch er selbst eine Stelle als Lehrer für Zeichnung und Malerei an der Chicago Academy of Design bekam.

 

Er selbst hielt sich allerdings noch nicht für reif genug und wandte sich 1875 zum weiteren Studium nach Paris, wo er die Stilleben des genialen Jean-Baptiste-Siméon Chardin entdeckte; diesem sollte er künftig nacheifern und es darin zu eigener Meisterschaft bringen. Zurück in den USA richtete er zuerst ein Atelier in New York ein, wo er jedoch Schwierigkeiten hatte, seine nun an Chardin angelehnten Bilder zu verkaufen; erst ein Umzug nach Boston brachte eine Verbesserung der Lage.

 

Die Rückkehr nach New York brachte jedoch auch die finanzielle Misere zurück, und Carlsen gab sein Atelier auf, verlegte sich auf die Druckgrafik, um sich über Wasser zu halten. Nebenbei hielt er allerdings seinen Traum am Leben, arbeitete weiter an seinen Stilleben, und die Annahme eines der Werke für die Ausstellung der Pennsylvania Academy of Fine Arts 1883 war ein erster Lichtblick. Eine weitere Zeit in Europa 1884–85 malte er zunächst ohne innerliche Neigung von einem Kunsthändler bestellte Blumengemälde, 1885 aber nahm der Pariser Salon zwei seiner Arbeiten an.

 

Wieder ging es nach New York, wo sich am kommerziellen Mißerfolg jedoch nichts änderte, weshalb er sich nach San Francisco wandte, wo er 1887-89 als Direktor der California School of Design und dann bis 1891 als Privatlehrer der San Francisco Art Students League tätig war. Zwei seiner Studenten jener Jahre waren M. Evelyn McCormick und Guy Rose, welche sich später beide in Giverny im Umfeld Monets einen Namen machen sollten; Guy Rose gilt gemeinhin als „der französischste der amerikanischen Impressionisten“.

 

Mit einem Zeitungsbeitrag, in welchem er sich despektierlich über weibliche Kunststudenten äußerte, an denen Kunsterziehung Verschwendung sei, löste er einen Sturm der Entrüstung aus. Sein Freund Arthur Mathews widersprach ihm in einem Gegenbeitrag heftig, was die Debatte noch verstärkte.

 

1891 verließ Carlsen Kalifornien wieder und war in Folge vor allem als Kunstlehrer an verschiedenen Stätten der östlichen USA tätig, so an der National Academy of Design, der von Studenten selbst organisierten Art Student's League und der Pennsylvania Academy of Fine Arts.

 

Mit den in New York ansässigen Impressionisten John Twachtman und Julian Alden Weir freundete er sich an und entdeckte so auch die Landschaftsmalerei für sich, wo er sich der impressionistischen Malweise sehr annäherte. Die in für impressionistische Verhältnisse stillen, aber freundlichen Farben unterscheiden sich grundsätzlich von den fein abgestuften erdigen Tönen seiner Stilleben.

 

Weir besuchte er ab den frühen 1900er Jahren auch auf seiner Farm in Branchville, Fairfield County, Connecticut, welche zum Anlaufpukt zahlreicher Landschaftsmaler werden sollte; er verbrachte mehrere Sommer mit seiner Familie in einer kleinen Hütte. 1905 erstand Carlsen ein eigenes Heim in Falls Village, Connecticut, wo er seine Zeit verbrachte, wenn er gerade keine Lehrstunden zu geben hatte, und die örtliche Landschaft malerisch erkundete.

 

Sein Kontakt mit den New Yorker Impressionisten brachte auch endlich den kommerziellen Erfolg, denn dadurch geriet er an die Galerie Macbeth, welche Carlsen in ihr Portfolio aufnahm und 1912, 1919, 1921 und 1923 Einzelausstellungen seiner Werke organisierte. Der Erfolg als Maler gestattete ihm, endlich den vor allem aus finanziellen Notwendigkeiten gegebenen Unterricht zu reduzieren und sich auf das eigene Schaffen zu konzentrieren.

 

Mit seinen in zarten Tönen gehaltenen Stilleben hatte er sich als Meister des Metiers in den Staaten etabliert. Diese Werke weisen, neben den altmeisterlichen Bezügen, auch eine gewisse Verwandtschaft zu den Arbeiten James McNeill Whistlers auf und werden für gewöhnlich dem Tonalismus zugerechnet, während er sich mit seinen späteren Landschaften im Bereich des (Post-)Impressionismus bewegte. Er starb 1932 in New York.

 

 

 

Verweise:

http://emilcarlsen.org/

https://libmma.contentdm.oclc.org/digital/search/field/subjec/searchterm/Carlsen, Emil, 1853-1932 -- Exhibitions/mode/exact

http://www.artnet.com/artists/emil-carlsen/

https://www.nga.gov/collection/artist-info.1090.html

https://americanart.si.edu/artist/emil-carlsen-746

https://art-depesche.info/john-henry-twachtman-seine-ursprunge-in-der-munchner-schule

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