Berlin – Unsere Reihe kurzer Künstlerporträts war bereits mehrfach Bühne des Versuches, der heute gerne geschmähten Salonmalerei des 19. Jahrhunderts Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und Künstler dieser Strömung den Heutigen näherzubringen. Charles-Amable Lenoir war ein fähiger Maler, dessen Porträts ätherischer Frauengestalten sich seinerzeit großer Beliebtheit erfreuten.
Zur Welt kam Lenoir 1860 in Châtellaillon bei La Rochelle an der französischen Atlantikküste als Sohn eines Zolloffiziers und einer Näherin. Als der Vater nach Fouras versetzt wurde, zog die Familie mit ihm um.
Lenoir startete sein Berufsleben nicht gleich gemäß seiner Berufung, sondern ließ sich zunächst in la Rochelle zum Lehrer ausbilden. Nach Abschluß der Ausbildung arbeitete er für einige Zeit als Lehrer und Supervisor am Lycée in Rochefort.
1883 schließlich wurde er zum Studium an der École des Beaux-Arts de Paris zugelassen, zusätzlich nahm er Unterricht bei den akademischen Salonmalern William-Adolphe Bouguereau und Tony Robert-Fleury an der berühmten privaten Académie Julian.
Er trat ohne Bedenken in die Fußstapfen dieser beiden großen Lehrer: Schon 1887 machte er sein Debut am Pariser Salon; er würde dort bis zu seinem Tod jedes Jahr ausstellen. Die Kunstwelt feierte ihn; die Zahl seiner offiziellen Ehrungen ist außergewöhnlich hoch.
So gewann er 1889 mit seinem Gemälde „Jésus et le paralytique“ den zweiten Prix de Rome, und 1890 mit „Le Reniement de Saint Pierre“ auch den ersten. Auch seine Salonbeteiligungen „Le Grenier a Vingt Ans“ (1892) und „La Mort de Sappho“ (1896) wurden ausgezeichnet. 1900 wurde ihm auf der Pariser Weltausstellung für „Le Calme“, ein Porträt seiner neuen Frau Eugénie Lucchesi, eine Bronzemedaille verliehen.
Seine präzise gemalten Bilder zumeist schöner Frauen werden dem akademischen Realismus zugerechnet, doch wie andere Künstler jener Strömung teilt er den im fin de siècle verbreiteten Hang zu mystischen bis morbiden Themen, welche zwar nicht so dominant waren wie bei den Symbolisten, jedoch in einer massentauglicheren Weise gleichsam verarbeitet wurden. Wer will, kann auch eine Nähe zu den Präraffaeliten erkennen.
1903 wurde er für seine Beiträge zur französischen Kunst zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Er hatte ein Haus in Fouras, wo er die Sommermonate verbrachte. Dort verstarb er im Jahr 1926 und wurde auch vor Ort beigesetzt. 1937 wurde ihm ein Ehrenmal errichtet, welches bis heute zu besichtigen ist.
Verweise:
https://art-depesche.info/aus-frankreichs-salonmalerei-tony-robert-fleury
https://art-depesche.info/theobald-chartran-portratist-der-high-society
https://www.artrenewal.org/Article/Title/charles-amable-lenoir
https://rehs.com/eng/default-19th20th-century-artist-bio-page/?fl_builder&artist_no=54&sold=1