Berlin – Vietnam war bis 1949 bzw. bedingt noch 1954 als Teil Französisch-Indochinas französische Kolonie. Es fand dabei durchaus ein kultureller Austausch statt, und als in Frankreich die moderne Malerei ihren Siegeszug feierte, gab es auch indochinesische Kunststudenten, die in deren Sog gerieten. Einer, der die Malerei seines Landes entscheidend prägen sollte, war Trần Văn Cẩn.
Geboren wurde er 1910 in Kiến An, heute Teil der Hafenstadt Hải Phòng, im Delta des Roten Flusses. Der Vater war Postbeamter und soll umfassend gebildet gewesen sein. 1924 sandten die Eltern ihn zur Großmutter nach Hanoi, um dort weiter zu leben und zu lernen.
Seine Mutter und sein Onkel waren Kunsthandwerker, sie stellte Bambuskörbe und Papierlaternen her, er bemalte solche. Auch der Junge fand Gefallen daran, und mit dem Segen des Vaters konnte er 1925 an der Schule für angewandte Kunst in Hanoi eine Ausbildung in Modellzeichnung und Möbeldesign beginnen.
Wohl 1931 wurde er Student an der École des Beaux-Arts d'Indochine, und auch unter deren Direktor von 1938 bis 1944, dem Bildhauer Évariste Jonchère, war er noch dort. Jedoch ist diese Zeit zum Teil etwas schwierig zu rekonstruieren, da Trần Văn Cẩn später, wie viele vietnamesische Künstler, im Zuge des antikolonialen Kampfes und gemäß der Vorgaben der Kommunistischen Partei bemüht war, seine französische Prägung möglichst zu verheimlichen.
Allerdings soll Joseph Inguimberty, der Gründer der Kunstschule, welcher von 1926 bis 1945 dort lehrte, ihn stark beeinflußt haben, und es gibt Quellen, wonach Bilder von Trần Văn Cẩn und anderen bedeutenden vietnamesischen Künstlern wie Tô Ngọc Vân oder Nguyễn Gia Trí bei der letzten Ausstellung der Schule gemeinsam mit Bildern französischer Größen wie Edgar Degas, Paul Cézanne, Eugène Delacroix und Jean-Antoine Watteau zu sehen gewesen sein.
Mittlerweile wird in Vietnam die französische Kolonialzeit unvoreingenommener betrachtet, und Leistungen werden durchaus anerkannt, doch in den Jahren des Unabhängigkeitskampfes und der unmittelbar folgenden Zeit galt die französische Prägung klar als Manko. In den frühen Bildern dieser Künstler ist sie allerdings offensichtlich.
Trần Văn Cẩn, dessen Frühwerk stark symbolistisch und (post)impressionistisch gefärbt ist, nahm später Anleihen des sozialistischen Realismus auf, zeichnete Szenen des antikolonialen Kampfes und Propagandaplakate. Von 1955 bis 1964 war er Direktor der Hochschule der Schönen Künste Vietnams, von 1958 bis 1983 Generalsekretär der Vereinigung der Schönen Künste Vietnams und ab 1983 Präsident der Vietnamesischen Vereinigung der Plastischen Künste. Er starb 1994 in Hanoi.
Die bekanntesten seiner Bilder befinden sich im Nationalmuseum der Schönen Künste Vietnams, welches wir kürzlich unseren Lesern vorstellten. Geradezu zu einer Ikone der vietnamesischen Malerei wurde das Ölbild „Kleine Schwester Thúy“ von 1943; es wurde 2013 vom Premierminister als „Nationaler Schatz“ eingestuft.
Es zeigt ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft des Künstlers, auf einem Stuhl sitzend. Das Kind wirkt schüchtern, sieht jedoch den Betrachter direkt an. Bis auf ihr schwarzes Haar und die Lehne des Stuhls sind helle Farben zu sehen, Weiß, Geld, Rot, etwas Grün. Der Stil ist impressionistisch orientiert und hat doch eine ganz eigene Note.
Weitere Bilder in den Räumen des Museums sind das Lackbild „Der Winter kommt“, der Holzschnitt „Laßt uns zur Armee gehen“ (1949) und die Seidenmalerei „Du hast beim Lesen einen Fehler gemacht, mein Kind“ – besondere Anerkennung fand Trần Văn Cẩn dafür, daß er in den verschiedensten Medien und Techniken brillierte. Von bleibendem Wert dürften jedoch vor allem jene Werke sein, bei welchen er auf politische Bekenntnisse verzichtete.
Verweise:
https://art-depesche.info/museen-der-welt-das-nationalmuseum-der-schonen-kunste-vietnams
https://vnfam.vn/en/artifact/5a61a3f99f1f592e7371ab12
https://tapchimythuat.vn/tac-gia-tac-pham/hoa-si-tran-van-can-mot-thoi-ha-noi/