Potsdam – Beginnen wir gleich mit der Wertung: Von den Sonderausstellungen, welche die Redaktion der ART-DEPESCHE dieses Jahr besuchen durfte, stellt die aktuelle Ausstellung im Museum Barberini wohl das Glanzlicht dar. „Munch. Lebenslandschaft“ wird noch bis zum 1. April 2024 zu sehen sein.
Und noch etwas vorab: Noch bis zum 22. Januar 2024 wartet auch die Berlinische Galerie mit ihrer Munch-Ausstellung „Zauber des Nordens“ auf; wir berichteten bereits über diese. Es gibt ein Kombi-Ticket, welches einen vergünstigten Besuch beider Ausstellungen ermöglicht. Nicht nur wegen des früheren Endes empfehlen wir, zunächst die Berlinische Galerie zu besuchen – denn das, was das Barberini bietet, stellt noch einmal eine erhebliche Steigerung dar, was sowohl die Bestände als auch die Präsentation betrifft.
Nun nehmen wir also an, Sie, lieber Leser, haben die Berlinische Galerie bereits besucht und sich für die nordische Kälte vorgewärmt. Nun geht es nach Potsdam! Hier ist der Fokus ein etwas anderer, es geht vornehmlich um die Landschaftsmalerei des norwegischen „Proto-Expressionisten“, der von grausamen Banausen nur zu gerne auf bedruckte „Schrei“-Tassen reduziert wird.
Doch gerade „Munch. Lebenslandschaft“ zeigt in seinen in acht Kapitel aufgeteilten 116 Gemälden und Druckgraphiken, wie vielseitig dieser Künstler war, und vor allem, daß er nicht auf die Verbildlichung schwerer Seelenqualen beschränkt war.
Hauptsächlich wurde das Munchmuseet Oslo „geplündert“ (wenn Sie sehen, was hier alles angekarrt wurde, werden Sie diesen Begriff vielleicht für angemessen halten), doch auch andere namhafte Museen, das New Yorker Museum of Modern Art, das Dallas Museum of Art, die Staatsgalerie Stuttgart, das Museum Folkwang in Essen und das Von der Heydt-Museum Wuppertal sowie private Sammler haben ihre Schätze zur Verfügung gestellt.
Die Landschaftsmalerei: Bei Munch ist sie nie Selbstzweck; die Landschaft ist immer Spiegel der Seele. So wird also das Verhältnis des Menschen zur Natur ausgelotet; in den Begleittexten zum Teil hergestellte Bezüge zur aktuellen Klima-Debatte wirken indes etwas bemüht und eher dem Zeitgeist als dem Werk geschuldet.
Nordische Wälder begegnen uns in „Der Märchenwald“, „Dunkler Tannenwald“ oder „Kirche im Wald“, mal düster, mal freundlich, doch immer mythenschwanger; Bäume erscheinen als Lebewesen, welche jederzeit selbst zu Trollen werden könnten …
Als Bühne für Einsamkeit und Trennung dient die abendliche Meeresküste, „Sommernacht am Strand“ oder „Strand“ strahlen erhabene Melancholie aus, weisen in den kalten Kosmos. Ganz anders die Gartenbilder wie „Apfelbaum im Garten“ oder „Blühende Obstbäume im Wind“: Hier zeigt sich der Künstler von einer ungewohnt lichten Seite; sein Stück kultivierter Natur scheint ihm ein Ort des Friedens gewesen zu sein.
Nicht vergessen werden sollten die Entwürfe für die Wandbilder der Aula der Universität Oslo. Auch diese selbst im Larvenstadium schon monumentalen Werke, welche, um die gewaltige, leuchtende Sonne herum, verschiedene Zugänge zum Wissen darstellen, von der Erzählung der Vorfahren bis zur modernen Forschung, haben es nach Potsdam geschafft. Wie sehr müssen erst die fertigen Stücke in Oslo beeindrucken!
Lassen Sie sich also „Munch. Lebenslandschaft“ nicht entgehen. Das Museum Barberini hat eigens für diese Schau seine Öffnungszeiten erweitert: Am Montag hat es, wie üblich, von 10–19 Uhr geöffnet, von Mittwoch bis Sonntag aber von 9–19 Uhr. Informationen zu Sonderöffnungszeiten an Feiertagen entnehmen Sie der Museumsseite. Der Eintritt kostet regulär in der Woche 16 und am Wochenende 18 Euro, ermäßigt an allen Tagen 10 Euro; für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler über 18 Jahren ist der Eintritt frei. Museum Barberini, Am Alten Markt, Humboldtstr. 5–6, 14467 Potsdam.
Verweise:
https://art-depesche.info/nordisches-edvard-munch-in-der-berlinischen-galerie
https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/9500/munch-lebenslandschaft
