Halberstadt – Der Maler und Grafiker Walter Gemm ist in Halberstadt eine Hausnummer, und es ist keineswegs abwertend, festzustellen, er sei für Halberstadt wichtiger als für die Kunstgeschichte. Anläßlich seines 125 Geburts- und 50. Todestages hat das Städtische Museum unter dem Titel „Walter Gemm. Chronist mit Stift und Pinsel“ eine kleine Werkschau zusammengestellt, welche noch bis zum 31. Dezember 2023 zu sehen sein wird.
Kommt man nach Halberstadt, kann man bereits in der Bahnhofshalle ein riesiges, echtes Landschaftsgemälde von Walter Gemm (1898–1973) besichtigen, dann seine Kinder an der „Sekundarschule Walter Gemm“ abliefern und im Restaurant Stephanus fein essen und dabei die zahlreichen Walter-Gemm-Kunstdrucke an der Wand besichtigen.
Da wundert es nicht, daß auch das Städtische Museum etwas zum Thema beizutragen hat. Selbstverständlich gibt es Gemm-Bilder in der Dauerausstellung, doch um diese soll es an dieser Stelle gar nicht gehen; wir werden uns dem Standardprogramm des Museums in einem gesonderten Bericht widmen.
Wer also war Walter Gemm? Er war tatsächlich in Halberstadt geboren worden, verbrachte dort den Großteil seines Lebens, und wie kein zweiter hielt er die Stadt im Vorharz („das Tor zum Harz“) selbst und die südlich von ihr gelegene Landschaft des Harzes in unzähligen Zeichnungen und Gemälden fest, dazu kamen etliche Auftrags- oder Gelegenheitsarbeiten; Kunsthistoriker schätzen die Zahl seiner Werke auf über 6.000.
Nun beginnt also die Werkschau im Treppenhaus des Museums; hier gibt es einige einleitende Worte, dazu eine Auswahl sicher ausgeführter Federzeichnungen, welche Gemm vor allem für Periodika schuf, manche sind Arbeiten eines Chronisten, manche humoristisch, andere fallen wohl unter Reklame.
Der Hauptteil der Ausstellung aber findet sich im Obergeschoß – nimmt jedoch auch hier lediglich einen Raum ein. Etwas ernüchtert blickt Ihr Schreiberling sich um, aber kann doch feststellen, daß, sofern das Ziel war, einen vielseitigen Einblick in das Schaffen Gemms zu geben, dieses erreicht worden ist.
Den Mittelpunkt des Werkes stellen natürlich die realistischen bis impressionistischen Landschaftsgemälde des Harzes (hier vom Bodetal oder dem Kloster Huysburg) sowie die Halberstädter Veduten (darunter die Paulskirche, der Dom, die Moritzkirche oder die Gröperbrücke). Nicht alles, was Gemm abbildete, hat den Bombenkrieg 1945 und die Abrißlust der SED überlebt, insofern haben viele seiner Bilder auch als historische Dokumente Bedeutung.
Auch die Zerstörung Halberstadts und der Krieg selbst wurden in Bildern Gemms dokumentiert; eine eigene Gruppe von Werken bilden Plakatentwürfe für den „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, aus den 1950er Jahren. Ansonsten gibt es Exlibris, Glückwunschkarten, Buchillustrationen und als kleine Skurrilität sogar einen vom Künstler mit Zeichnungen versehenen Lampenschirm.
Wie gesagt, es handelt sich um eine kleine Ausstellung, doch als erster Einblick in Gemms Werk durchaus tauglich; kunstinteressierte Halberstadt-Besucher dürfen gerne einmal im Städtischen Museum vorbeischauen. Dieses befindet sich am Domplatz 36 und hat von Dienstag bis Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
Verweise:
https://www.museum-halberstadt.de/de/museum-aktuell-uebersicht/215-31122023-walter-gemm.html
https://art-depesche.info/das-harzmuseum-in-wernigerode-und-die-regionale-malkunst
https://art-depesche.info/erhard-wolf-zeichnungen-der-halberstadter-altstadt-im-gleimhaus
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